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Wie die Bilder sich gleichen

Versuch einer vergleichenden Videoanalyse

 

Der obere Teil des Bildes ist ein Screenshot eines Werbevideos, welches die Computerfirma Apple im Januar 1984 während der Pause des Super Bowls (des Endspiels der amerikanischen Football-Liga) im Fernsehen zeigte, um ein brandneues, noch nie dagewesenes, sensationelles Produkt anzukündigen: den Macintosh.

(Ich schreibe übrigens diese Zeilen auf einem Mac.)

Der eine Minute lange Film hatte ein Budget von damals gigantischen 900.000 Dollar und erreichte (dank Super Bowl) nicht minder gigantische TV-Einschaltquoten, er gilt seither als Werbeklassiker.

In diesem vom britischen Regisseur Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“) gedrehten Commercial wird eine (dem 1949 erschienenen Roman ´1984´ von George Orwell entliehene) Dystopie gezeigt, in der ein diktatorischer ´Großer Bruder´ von einem riesigen Bildschirm herab auf seine gehirngewaschene Gefolgschaft einredet.

In dieses trostlose, graue Ambiente rennt eine junge, gutaussehende Athletin (gespielt von der britischen Hammerwerferin Anya Major) hinein und wirft ihren Hammer auf den Big-Brother-Riesenbildschirm, der dadurch zerstört wird.

Im Abspann heißt es dann:

“On January 24th, Apple Computer will introduce Macintosh.
And you’ll see why 1984 won’t be like ‘1984’.”

Was mich an diesem eigentlich gut gemachten Werbespot schon immer gestört hat, war und ist, dass die schöne blonde Heldin (die den Apple Macintosh verkörpern soll, welcher der bösen Großfirma IBM, damals der größte und mächtigste Computerhersteller der Welt, den Hammer entgegenschleudert) aussieht, als ob sie direkt aus dem 1936-Olympia-Film von Leni Riefenstahl in den 1984-Ridley-Scott-Film gebeamt worden wäre – eine jener blond-´arischen´ Gestalten, die in Riefenstahls braunem Machwerk superästhetisch den Hammer werfen.

Der Olympia-Film gilt allgemein, rein filmtechnisch betrachtet, als Meisterwerk und wird nicht zuletzt von Werbefilmern heutiger Zeit als Vorbild gesehen, u.a., was Schnitt und Kameraführung betrifft.

Führung:

Nach derselben im Lande strebt im Januar 2025 eine einst kleine, radikale („Es gibt nur zwei Parteien: wir und die anderen.“ A. Weidel – so hat in den 1920ern und frühen 1930ern der Chef einer anfangs kleinen, radikalen Partei auch gesprochen), mittlerweile aber in atemberaubender Geschwindigkeit größer werdende politische Partei und hält in der Stadt Halle in einer ebensolchen einen Parteitag ab:

Von einem riesigen Bildschirm redet ein überdimensioniertes, seltsamerweise ohrenloses (wahrscheinlich hat Elon Musk die Webcam seines MacBooks zu stark auf digitale Hintergrundunschärfe rund um seinen Kopf eingestellt) Gesicht auf die Gefolgschaft herab.

Die ist begeistert, einige Fans filmen das Big Face auf dem Big Screen mit ihren iPhones von Big Apple.

Sie stehen, klatschen, sitzen nicht so steif herum wie bei Big Brother im Jahr 1984.

Alles ist lockerer heute:

Als es darum geht, die Tonübertragungsqualität zu testen, sagt das Groß-Leinwand-Musk-Gesicht kichernd zur Menge, dass die, die ihn hören, doch den Arm heben sollen.

Bezieht sich natürlich auf seine Geste, die er kürzlich bei Trumps Inauguration zweimal (war also kein zufälliges Versehen) gemacht hat. Auch Italiens Meloni hat neulich bei einer Pressekonferenz den rechten Arm halb erhoben, um ihn kichernd dann wieder zu senken.

Haha. Superlustig.

Dass im Zeichen dieses Grußes sechs Millionen Menschen in Konzentrationslagern ermordet wurden und 60 Millionen im Zweiten Weltkrieg starben – geschenkt.

Der fröhliche Faschismus in Dauerironie- und provokationsschleife, auf dass die Gutmenschen sich aufregen.

Ist doch viel geiler, ein Schlechtmensch zu sein.

 

Über die Rede, die der Große Vorsitzende über den großen Teich hinweg auf der großen Leinwand dann dem hiesigen Parteivolk hält, und über diesen Parteitag überhaupt schreibt Polens Regierungschef (dies irritierenderweise auf Musks Plattform X, wahrscheinlich, weil sie die höhere Reichweite als die deutlich bessere Plattform Bluesky hat):

„Die Worte über ein ´großes Deutschland´ oder ´die deutsche Schuld für Nazi-Verbrechen vergessen´, die auf der Wahlkampfveranstaltung der AfD hörbar waren, klingen allzu bekannt und bedrohlich. Besonders Stunden vor dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.“

 

Der Vorsitzende der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, schrieb:

 „Entgegen dem Rat von Elon Musk sollte die Erinnerung und Anerkennung der dunklen Vergangenheit des Landes und seiner Menschen im Mittelpunkt der Gestaltung der deutschen Gesellschaft stehen.“

 

So, genug mit Politik.

Ich sollte zur Ablenkung zum Schallplattenschrank gehen, eine Vinylscheibe herausziehen und auflegen, ein wenig Musik wird mir guttun.

Ich denke, ich höre mir mal wieder gute alte britische Rockmusik an, etwa das Album ´Power In The Darkness´ (1977) der Tom Robinson Band, darauf heißt es in einem Song:

 „Left is right and right is wrong, you´d better decide which side you're on."

 

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